Der Naumburger Stadtteil Almrich und seine Eingemeindung vor 75 Jahren
22. Juli 2025
Fährt man auf der B87 von Naumburg stadtauswärts Richtung Bad Kösen, durchquert man den Naumburger Stadtteil Almrich, der aus dem Dorf Altenburg (Saale) hervorgegangen ist.
Als Autofahrer bekommt man davon nicht viel mit, doch als Radfahrer oder Wanderer kann man hier viel Schönes entdecken und dem von Rolf Elste in seinem Almrich-Lied Gesagtem nur zustimmen: „Weißt Du noch wo Almrich liegt, Almrich an der Saale. Almrich ist ein schöner Ort, Almrich liegt im Tale. Droben steht der Bismarckturm, von dort kannst Du schauen. Berge voller Wein und Obst, und die Saaleauen.“
Die Naumburger Denkmalliste enthält immerhin 17 Positionen zum Stadtteil Almrich. Das höchstgelegene Baudenkmal ist der im Lied genannte Bismarckturm, von dem man aber leider nicht mehr auf Almrich herabschauen kann, da der derzeitige Besitzer den Zugang zum Gelände verweigert.
In grauer Vorzeit soll an der Stelle des 1902 errichteten Bismarckturms, die heute noch als Burgscheidel bezeichnet wird, eine Burganlage gestanden haben, von der der Name des späteren Dorfes Altenburg abgeleitet wird. Man vermutet, dass diese Burg dem Grafen Gunzelin, einem Onkel der beiden markgräflichen Brüder Hermann und Ekkehard II., gehört hat. Die Brüder sollen mit ihrem Onkel verfehdet gewesen sein, hätten im Jahr 1010 diese Burg erstürmt und gänzlich zerstört. Die Burg wurde möglicherweise nicht wieder aufgebaut. Direkt genannt wird Altenburg erst in den Urkunden des Klosters Pforte aus dem 12. Jahrhundert. 1140 steht da geschrieben, dass sich der Wald des Klosters im Osten „bis zum alten Wall der Altenburger“ erstreckt. Auch der Naumburger Bischof Udo II. spricht im Jahre 1168 in einer Urkunde über den Besitz des Klosters Pforte von dem „Wall der zerstörten und nie wieder aufzubauenden Burg, die Aldenburch genannt wurde“. Der eigentliche Zweck der früheren Altenburg ist nicht bekannt. Vermutlich diente sie der Kontrolle des nahen Übergangs über die Saale. Dieser Übergang war eine Furt, die sich an der Stelle der heutigen Brücke über die Saale befand.
Über die Gründungsgeschichte des Dorfes zu Füßen der Altenburg im Saaletal, ist so gut wie nichts bekannt. Da Ende März 1945, in den letzten Tagen des zweiten Weltkrieges, viele Akten der bis dahin selbständigen Gemeinde verloren gingen, ist nicht viel über die Entwicklung des Ortes bekannt. Einiges ist aber aus anderen Quellen überliefert.
So soll die Almricher Kirche 1278 erstmals schriftlich erwähnt sein. Es war ursprünglich eine gotische Kirche mit dem Turm über dem Altarraum. Der Unterbau des Turms einschließlich des Chorbogens ist noch aus dieser Epoche erhalten. 1739 wurden das Kirchenschiff und der Glockenturm im Stil des Barock neu gebaut. 1898 und 1997/98 wurde die Kirche umfassend instandgesetzt.
Bis 1820 hatte Altenburg kein Schulgebäude. Deshalb fand der Unterricht in oft wechselnden Häusern statt. Dann baute man neben der Kirche ein einstöckiges Schul- und Küsterhaus mit einem Dachgeschoss. Schon 1854 reichte der Platz nicht mehr aus und man stockte das Haus auf. Knapp 30 Jahre später erwies sich das Gebäude wiederum als zu klein, weshalb man zwischen 1880 und 1885 einen Erweiterungsbau auf der gegenüberliegenden Straßenseite errichtete. Dieser wurde 1902 durch einen weiteren Neubau im hinteren Bereich des Schulhofes ergänzt. Ein Dreivierteljahrhundert später konnte der Unterricht überhaupt nur weitergehen, weil Lehrer und Eltern die dringendsten Reparaturen selbst durchführten. Auch fehlte es an Fachkabinetten und einer Turnhalle. Deshalb erfolgte gegenüber der Schweinsbrücke ein Ersatzneubau, der am 3. Januar 1978 übergeben wurde. Diese „Wilhelm-Pieck-Schule“ wurde Anfang der 90iger Jahre in „Albert-Schweitzer-Schule“ umbenannt.
Auch an die Betreuung der noch nicht schulpflichtigen Kinder hatte man in Altenburg frühzeitig gedacht. 1891 gründeten die Schwestern Emma und Gerda Schellbach eine "Diakonissenstation und Kleinkinderschule", aus der der heutige in der Trägerschaft des evangelischen Kirchspiels Flemmingen-Almrich befindliche Almricher Kindergarten hervorging.
Am rechten Ufer der kleinen Saale wurde 1523 von den Pfortenser Zisterzienser Mönchen eine Mahlmühle errichtet. Im Zuge der Reformation kam das Kloster Pforte, und damit auch die Mühle, unter die Herrschaft des Landesfürsten. Da es vorher ständig Streitigkeiten zwischen dem Kloster Pforte als dem Eigentümer und den Benutzern, so dem Rat zu Naumburg und den Naumburger Tuchmachern, wegen der Höhe der Mahlgebühr gegeben hatte, versuchte der Rat zu Naumburg, die Mühle in seinen Besitz zu bringen, was ihm 1551 auch mittels eines Erbpachtvertrages gelang.
Als die Stadt Naumburg um 1870 nach Quellen für die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser suchte, wurden auch Suchbohrungen im Saaletal unterhalb des Dorfes Altenburg vorgenommen. Das dort gefundene Wasser war gut und die Quelle war ergiebig. Um das Wasser mittels Pumpen direkt in die Stadt leiten zu können, wurde die Altenburger Mühle von der Stadt gekauft. Man beabsichtigte, die Wasserkraft, die bisher nur für das Mahlen von Getreide und dem Antrieb einer Gattersäge genutzt wurde, nun auch zum Transport des Wassers einzusetzen. In die Mühle wurde deshalb eine Pumpanlage eingebaut, die von Wasserturbinen getrieben wurde. Auch heute noch wird das Wasserwerk genutzt, dazu waren aber zahlreiche Um- und Zusatzbauten nicht nur in Almrich notwendig, auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll.
Kurz nach dem dreißigjährigen Krieg, 1650, lebten in Almrich 116 Einwohner auf 32 Gehöfte verteilt, deren Zustand aufgrund des Krieges und der Saalehochwasser in schlechten bis sehr schlechten Zustand waren. 1825 werden 420 Einwohner in 102 Häuser erwähnt, 1938 waren es schon 1803 Einwohner in 463 Haushaltungen.
Für die Einwohner, die sich vorwiegend durch die Landwirtschaft ernährten, war die Möglichkeit, die Saale zu überqueren, von großer Bedeutung. Die meisten der zu bewirtschaftenden Flächen, wie Acker, Wiesen und Weinberge, ca. 200 Hektar, lagen nämlich jenseits der Saale. Deren Wasserstand war allerdings unberechenbar, wodurch die in der Nähe der heutigen Brücke befindliche Furt häufig unpassierbar war. Auch eine Fähre, die es schon 1739 gegeben haben soll und im Altenburger Siegel verewigt worden ist, war da wohl kaum hilfreich. Wenn die Überquerung der Saale nicht möglich war, musste ein zeitraubender Umweg über Roßbach genommen werden.
Um den Missstand zu beseitigen, wurde 1876 vom Altenburger Gemeinderat der Bau einer Holzbrücke vorgeschlagen. Ein Brückenbau wurde aber von der „königlichen Regierung nur unter der Bedingung gut geheißen, dass das Bauwerk in seinem wesentlichen Verbande von Eisen oder von Steinen ausgeführt wird.“ Die Mehrkosten waren nicht zu stemmen und es dauerte fast 20 Jahre, bis im Zusammenhang mit dem Bau der Straße von Altenburg nach Niedermöllern eine steinerne Gewölbebrücke errichtet und am 10. Oktober 1895 dem Verkehr übergeben wurde. Sie stand noch nicht ganz 50 Jahre, als am Nachmittag des 11. April 1945 ein Leutnant der Wehrmacht die Brücke als letzte „Heldentat“ vom Volkssturm sprengen lies. Ein hölzerner Ersatzbau aus dem Jahr 1947 musste bereits 1956 grundhaft erneuert werden, wurde aber im Winter 1962/63 durch starken Eisgang erheblich beschädigt. Als Übergangslösung konnte im September 1964 eine neue Holzbrücke in Betrieb gehen, die aber ein Jahrzehnt später schon wieder baufällig war, vor allem wegen der starken Hochwasser und der Unvernunft russischer Panzerfahrer, die sich nicht an die maximale Tragfähigkeit von 12 t hielten. Der nunmehr vierte Ersatzbau wurde am 26. November 1976 eingeweiht. Dieser hielt fast drei Jahrzehnte, bis das Provisorium von der jetzigen Brücke abgelöst wurde, die Anfang Dezember 2005 für den Verkehr freigegeben wurde. Am 21.07.2006 erhielt sie den Namen "Brücke der Zukunft".
Im November 1905 wurde Grochlitz, das im Osten von Naumburg liegt, in die Stadt Naumburg eingemeindet. Danach wurde mehrere Jahrzehnte lang auch die Eingemeindung Altenburgs erörtert. Obwohl Naumburg und Altenburg ebenso wie Naumburg und Grochlitz seit Jahrhunderten enge wirtschaftliche Verbindungen gehabt hatten, scheiterten die Eingemeindungspläne zunächst.
Im Februar 1928 erklärten Naumburger Stadtverordnete in einer ihrer Sitzungen, dass in Almrich „jeder fünfte Einwohner arbeitslos sei und die Straßen sich in sehr schlechtem Zustande befänden, so dass Naumburg im Falle einer Eingemeindung tüchtig zu zahlen hätte“, außerdem „könne sich Almrich selbst billiger verwalten.“ Also käme eine Eingemeindung nicht in Frage.
Auch die Almricher Einwohner befassten sich mit dieser Problematik. Auf einer Versammlung des „Vereins Heimatfreunde“ hieß es, Naumburg versuche, Almrich „wirtschaftlich von der Stadt so weit wie möglich abhängig“ zu machen. „Man kaufte unser Elektrizitätswerk ohne unser Wissen auf. Wie man uns für reif zur Eingemeindung glaubte, habe man Almrich erklärt, es möge nun doch neben der städtischen Elektrizität auch das städtische Gas abnehmen. Mit dem Gas habe man zu gleich das Naumburger Wasser angeboten. Wie die in einem Eingemeindungsvertrag enthaltenen Zusagen ausgeführt werden, könne man vorher nicht wissen. Wenn z. B. die Einrichtung einer Kanalisation in Aussicht gestellt würde, so ist nicht anzunehmen, dass uns dann die Stadt die etwa erforderliche halbe Million gäbe, sondern es würden dann vermutlich lediglich die Anlieger damit belastet werden. Unter der Bedingung könnten wir uns die Kanalisation allein beschaffen.“ Eines der weiteren Argumente gegen die Eingemeindung waren die in Almrich niedrigeren Steuern.
Im Mai 1932 wurde dann im Tageblatt bekanntgegeben, dass in einer geheimen Sitzung der Naumburger Stadtverordneten und auch in der Altenburger Gemeindevertretung einstimmig beschlossen worden ist, bei der Staatsregierung den Erlass eines Landesgesetzes zu beantragen, durch das die Stadtgemeinde Naumburg und die Landgemeinde Altenburg a. d. Saale zu einer Gemeinde vereinigt werden. Die Empörung vieler Almricher war groß. Auf einer vom Almricher Gemeindevorstand einberufenen öffentlichen Versammlung versuchte dieser sich für den Beschluss zu rechtfertigen.
Das ganze geschah, kurz bevor ein im „Zuge von Sparmaßnahmen“ von der Regierung gefasster Beschluss in Kraft treten sollte, den seit 1816 bestehenden Landkreis Naumburg aufzulösen und die Gemeinden des Kreises ab 1. Oktober 1932 dem Landkreis Weißenfels zuzuordnen. Naumburg war schon 1914 aus dem Naumburger Landkreis ausgeschieden und bildete seitdem den selbständigen Stadtkreis Naumburg. Für die Stadt war die Eingemeindung Almrichs fast eine Existenzfrage. Durch diese Vergrößerung wären die städtischen Haushaltsmittel deutlich gestiegen, während die Ausgaben sich nicht wesentlich vergrößert hätten. Für die Gemeinde Almrich hätte die Zugehörigkeit zum Landkreis Weißenfels andererseits erhebliche Schwierigkeiten mit sich gebracht, da viele Angelegenheiten in Zukunft im entfernt liegenden Weißenfels erledigt werden müssten.
Trotz zahlreicher Einsprüche gegen die Auflösung des Landkreises Naumburg, wurde diese vollzogen und die Eingemeindung Almrichs konnte nicht mehr erfolgen.
Im Jahr 1950 wurde dann auch der selbständige Stadtkreis Naumburg aufgelöst und Naumburg wurde eine „kreisangehörige Stadt des Landkreises Weißenfels“. Zur gleichen Zeit traten weitere verwaltungsmäßige Veränderungen für die Gemeinden ein. Bis 1945 waren viele kleinere Gemeinden nur von „nebenamtlichen“ Bürgermeistern verwaltet worden, schreibt der frühere Naumburger Stadtarchivar Walter Wirth. „Die Anfänge der Planwirtschaft, in erster Linie die Erarbeitung von Anbauplänen für die einzelnen bäuerlichen Wirtschaften und deren Kontrolle, erforderten hauptamtliche Bürgermeister. Aus finanziellen Gründen mussten daher mehrere Gemeinden zu einer Hauptgemeinde zusammengeschlossen werden.“ So wurden auf Grund des Gesetzes zur Änderung der Kreis- und Gemeindegrenzen vom 27.04.1950 durch Beschluss des Landes Sachsen-Anhalt am 01.08.1950 „Altenburg, Naumburg und Schellsitz unter dem Gemeindenamen Naumburg/Saale“ zusammengeschlossen. Während Schellsitz seinen Namen behielt, hieß der eingemeindete Ortsteil „Almrich“ von nun an Naumburg-West. Die Bezeichnung „Almrich“ hat sich bis heute für diesen nunmehrigen „Naumburger Stadtteil“ erhalten.
Nach der Eingemeindung mussten einige Straßennamen geändert werden. Aus der Naumburger „Pfortastraße“ wurde die Weimarer Straße. Die Naumburger „Kösener Straße“, die ab der Schweinsbrücke „Naumburger Straße“ hieß, wurde einfach verlängert, so dass diese Bezeichnung in Almrich verschwand.
Über die weitere Entwicklung Almrichs ist in den letzten Jahren vieles geschrieben wurden. Hierzu kann vor allem auf Beiträge im Burgenlandjournal im Jahr 2006, 2014 und 2016 verwiesen werden.
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Der Autor dankt dem Vorsitzenden des Almricher Heimatvereins, Uwe Wenzel, für die Überlassung von Informationen. S. a. www.naumburg-almrich.de.